Aktuelles zum Verkehrsrecht von Bernd Brutscher (Oktober 2024)
Pflichten beim Vorbeifahren an haltendem Bus, aus dem Kinder aussteigen
Gericht: OLG Hamm, Beschl. vom 27.2.2024, 7 U 120/22, veröffentlicht in juris
Das Wichtigste in Kürze:
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§§ 3 Abs. 2a, 20 StVO
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Zwar darf nach § 20 Abs. 1 StVO an einem noch haltenden Bus vorbeigefahren werden. Dabei muss man sich jedoch im Einzelfall nach § 3 Abs. 2a StVO so verhalten, dass eine Gefährdung eines Businsassen, insbesondere von Kindern, ausgeschlossen ist.
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Im Hinblick auf wahrgenommene Kinder, die aus dem Bus aussteigen, ist zudem nach § 1 StVO besondere Vorsicht und Rücksichtnahme geboten, um die Kinder nicht zu gefährden. Die Geschwindigkeit ist jedenfalls soweit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann.
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Nach § 3 Abs. 2a StVO muss sich ein Fahrzeugführer gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeugführer die schutzbedürftigen Personen erkennen kann und deren Verhalten oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigt, die zu einer Gefährdung führen können.
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Kinder im Sinne des § 3 Abs. 2a StVO sind alle diejenigen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Kein Absehen vom Fahrverbot wegen erheblicher beruflicher Nachteile
Gericht: OLG Brandenburg, Beschl. vom 15.7.2024, 2 ORbs 107/24, veröffentlicht in juris
Das Wichtigste in Kürze:
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§ 25 StVG
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Nach den Vorgaben des Verordnungsgebers ist das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG indiziert, so dass es in diesen Fällen regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf.
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Das Tatgericht ist in diesen Fällen – auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung – gehalten, die Maßnahme anzuordnen und darf hiervon nur in besonderen Ausnahmefällen absehen, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich von dem normierten Regelfall abweicht, dass er als Ausnahme zu werten ist und auf ihn das Regelbeispiel gemäß dem Bußgeldkatalog nicht mehr zutrifft, oder wenn die Maßnahme für den Betroffenen eine außergewöhnliche Härte darstellt.
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Eine „besondere Härte“ in diesem Sinne liegt nicht schon dann vor, wenn der Betroffene bei seiner beruflichen Tätigkeit und im privaten Bereich „in einem exorbitanten Maß auf seine Fahrerlaubnis angewiesen“ ist. Berufliche Nachteile, auch schwerwiegender Art, sind mit einem Fahrverbot nicht nur in Ausnahmefällen, sondern häufig verbunden. Der Umstand, beruflich besonders auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, muss für den Betroffenen ein besonderer Grund sein, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. Nur wenn das Fahrverbot zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art, beispielsweise zum Verlust des Arbeitsplatzes oder dem Existenzverlust eines Selbstständigen, führen würde, kann von der Verhängung des Fahrverbotes unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden.
Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde bei Gefahrenstelle durch Vertiefung bei einem Gehweg
Gericht: OLG Hamm, Urteil vom 1.3.2023, 11 U 73/22, veröffentlicht in SVR 2024, 383
Das Wichtigste in Kürze:
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§ 839 BGB iVm Artikel 34 GG; §§ 9, 9 a, 47 StrWG NRW
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Eine parallel zum Gehweg verlaufende scharfkantige Vertiefung von einer Tiefe bis zu 3.2 cm stellt eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar. Denn die Vertiefung ist so lang und breit, dass ein Kind, aber auch eine erwachsene Person mit dem überwiegenden Teil des Fußes auf die parallel zum Gehweg verlaufenden Kante der Aussparung treten und wegen ihrer Tiefe von bis zu 3,1 bis 3,2 cm mit dem Fuß seitlich umknicken und sich dadurch schwerwiegend verletzen kann.
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Abgesehen davon ist bei Gefahrstellen, die nicht durch Naturereignisse oder Eingriffe Dritter entstanden sind, sondern vom Verkehrssicherungspflichtigen selbst geschaffen wurden, ein besonders strenger Maßstab an die Sicherungspflicht anzulegen. Das gilt auch vorliegend. Denn die am Unfalltag im Gehwegpflaster vorhanden gewesenen Aussparungen sind nicht durch Naturgewalten oder Eingriffe Dritter entstanden, sondern waren im Auftrag der Beklagten von der Firma U hergestellt worden, weshalb bei ihnen jedenfalls Höhenunterschiede von mehr als 2,5 cm als abhilfebedürftige Gefahrenstellen zu bewerten sind.
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Ein Fußgänger muss sich allerdings ein anspruchsminderndes Mitverschulden in Höhe von 50 % am Zustandekommen des Verkehrsunfalls anrechnen lassen. Insbesondere dann, wenn es bereits mehrere ähnliche Aussparungen im Gehwegpflaster gegeben hat, die dem Fußgänger schlechterdings nicht alle entgangen sein können, jedenfalls aber von ihr bei Einhaltung der von ihr zu fordernden Eigensorgfalt hätten erkannt werden können.
Fahrverbot bei Rettungsgassenverstoß
Gericht: AG Leutkirch, Urteil vom 18.01.2024, 1 OWi 51 Js 26383/23, veröffentlicht in jurisPR-VerkR 14/2024 Anm. 4
Das Wichtigste in Kürze:
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§ 11 Abs. 2 StVO
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Eine etwaige Überhitzung des Motors eines Motorrads rechtfertigt nicht das Befahren einer Rettungsgasse über zwei bis drei Kilometer.
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Der Betroffene hätte sein Motorrad auf der rechten Fahrspur oder sogar dem Seiten- oder Standstreifen abstellen und bei abgestelltem Motor abkühlen lassen können.
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Ggf. wäre es dem Betroffenen sogar möglich gewesen, in der Schlange im Stau den Motor abzustellen.
Unzureichender Beweiswert der Haltereigenschaft bei Parkverstößen
Gericht: BVerfG, Beschluss vom 17.5.2024, 2 BvR 1457/23, veröffentlicht in NJW 2024, 2244
Das Wichtigste in Kürze:
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Artikel 3 Absatz 1 GG; §§ 13, 49 StVO; § 24 StVG
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Nach § 49 Absatz 1 Nummer 13 Var. 3 StVO handelt ordnungswidrig iSd § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über Parkscheiben nach § 13 StVO verstößt.
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Das AG hat seine Feststellungen zur Sache allein auf die verlesenen Angaben im Bußgeldbescheid, auf Lichtbilder des Fahrzeugs sowie auf den Umstand gestützt, dass der Betroffene (Bf.) der Halter des in Rede stehenden Fahrzeugs sei. Damit hat das AG zu dem Verkehrsverstoß, der dem Bf. angelastet wird, in seiner Person weder ein aktives Tun noch ein Begehen durch Unterlassen festgestellt.
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Die Angaben im Bußgeldbescheid – wie auch die Lichtbilder, die allein das Fahrzeug des Bf. zeigen – haben bezüglich der Frage, ob der Bf. das Fahrzeug bei der bestimmten Fahrt auch tatsächlich geführt hat, keinerlei Aussagekraft. Der Bf. hat zu dem ihn betreffenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorwurf geschwiegen. Auch aus dem Umstand, dass der Bf. Halter des in Rede stehenden Pkws ist, darf bei Fehlen jedes weiteren Beweisanzeichens nicht auf dessen Täterschaft geschlossen werden
Abschleppen von Carsharing-Parkplatz
Gericht: VG Düsseldorf, Urteil vom 20.2.2024, 14 K 491/23, veröffentlicht in NJW 2024, 2201
Das Wichtigste in Kürze:
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§ 14 NW OBG
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Das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeugs steht jedenfalls dann mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang, wenn mit dem verkehrswidrigen Parken eine Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche verbunden ist.
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Auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung kommt es dabei nicht an.
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Von einer derartigen Funktionsbeeinträchtigung ist beim Abstellen eines nicht berechtigten Fahrzeugs im Bereich eines Carsharing-Parkplatzes regelmäßig auszugehen, so dass es keiner Überprüfung bedarf, ob die Kl. durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Carsharing-Fahrzeug am Parken gehindert hat.
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Die parkbevorrechtigten Benutzerkreise sollen nach der gesetzgeberischen Wertung darauf vertrauen dürfen, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbedingt zur Verfügung steht. Den Verkehrsordnungsbehörden kann nicht die Pflicht auferlegt werden, den Bedarf an freizuhaltenden Parkplätzen fortlaufend zu überprüfen und hiervon ein Einschreiten abhängig zu machen. Die Funktion der Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge wird nur dann gewährleistet, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden.
Aktuelles zum Verkehrsrecht von Bernd Brutscher (August 2024)
Sorgfaltsgebot beim Fahrstreifenwechsel schützt nur den gleichgerichteten und nicht zugleich den einmündenden Verkehr
Gericht: LG Bremen, Urteil vom 28.11.2023, 7 O 919/22, veröffentlicht in NZV 2024, 346
Das Wichtigste in Kürze:
· § 10 StVO
· § 10 StVO legt dem über einen abgesenkten Bordstein auf eine vorfahrtsberechtigte Straße einfahrenden Fahrzeugführer gesteigerte Sorgfaltspflichten auf. Er oder sie hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
· Das Vorfahrtsrecht der auf der Straße fahrenden Fahrzeuge gegenüber einem auf eine Straße Einfahrenden gilt grundsätzlich für die gesamte Fahrbahn.
· Der aus einem Grundstück kommende Fahrzeugführer hat sich grundsätzlich darauf einzustellen, dass der ihm gegenüber Vorfahrtsberechtigte in diesem Sinne von seinem Recht Gebrauch macht. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das vorfahrtsberechtigte Fahrzeug zunächst auf der linken Spur fährt und dann auf die rechte Spur der vorfahrtsberechtigten Straße wechselt.
· Der Vorfahrtsverletzer hat keinen Anspruch darauf, dass der Vorfahrtsberechtigte auf einer mehrspurigen Richtungsfahrbahn seinen Fahrstreifen beibehält, da § 7 Absatz 5 StVO nur den gleichgerichteten und nicht auch den einmündenden Verkehr schützt.
· Die Verletzung des Vorfahrtsrechts durch den in die Straße Einfahrenden indiziert sein Verschulden. Wahrt der Einfahrende das Vorfahrtsrecht des fließenden Verkehrs nicht und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel in vollem Umfang für die Unfallfolgen zu haften.
Vorbeifahren an einem haltenden Müllfahrzeug an einer unübersichtlichen Engstelle vor einer Kurve
Gericht: OLG Celle, Urteil vom 13.12.2023, 14 U 32/23, veröffentlicht in ZfSch 2024, 73
Das Wichtigste in Kürze:
· § 6 Abs. 1 StVO
· Nach § 6 Abs. 1 StVO muss derjenige, der an einem haltenden Fahrzeug links vorbeifahren will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen.
· Der Gegenverkehr hat, wie bei der Vorfahrt im Sinne des § 8 StVO, Vorrang schon dann, wenn er am zügigen, wenn auch notfalls angepassten langsamen Durchfahren nennenswert gehindert wäre.
· Es besteht eine Wartepflicht, wenn der Gegenverkehr sonst nennenswert verlangsamen oder erst die Gewissheit darüber abwarten müsste, ob sein Vorrang beachtet wird. Der Wartepflichtige muss sich vor dem Hindernis klar als solcher verhalten.
· Er muss durch sein Verhalten anzeigen, dass er warten werde, sonst haftet er.
Zur hinreichenden Schwere für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage
Gericht: VG Berlin, Urteil vom 29.2.2024, 14 K 1289/22, veröffentlicht in VerkMitt 2024, Nr. 37
Das Wichtigste in Kürze:
· § 31a StVZO
· Eine Fahrtenbuchauflage iSd § 31a StVZO ist grundsätzlich nur bei einem unaufgeklärten Verkehrsverstoß von einigem Gewicht möglich.
· Die besondere Schwere des unaufgeklärten Verkehrsverstoßes ergibt sich aus einer Zuwiderhandlung nach § 40 FeV (Bezeichnung und Bewertung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem) iVm Anlage 13.
· Danach muss für die Verkehrsordnungswidrigkeit mindestens ein Punkt im Fahreignungsregister vorgesehen sein.
· Gleichwohl sind auch Fälle denkbar, in denen, trotz fehlender Punktebewertung, aufgrund der Umstände des Einzelfalls von einem hinreichenden Gewicht der unaufgeklärten Verkehrsordnungswidrigkeit ausgegangen werden kann.
Hohes Aggressionspotential, welches zur Fahrungeeignetheit führt
Gericht: VG Düsseldorf, Beschl. vom 7.5.2014, 14 L 783/24, veröffentlicht in VerkMitt 2024, Nr. 36
Das Wichtigste in Kürze:
· § 3 StVG, § 11 Abs. 3 Nr. 6 FeV
· Nach § 11 Abs. 3 Nr. 6 FeV kann zur Klärung von Eignungszweifeln ein MPG angeordnet werden bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen.
· Dabei können Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential etwa bei hoher Angriffslust und Streitsüchtigkeit oder bei impulsivem Durchsetzen eigner Interessen unter schwerwiegender Verletzung der Interessen anderer bestehen.
· Anhaltspunkte für diese Eigenschaften reichen aus, so dass ein Vorhandensein nicht festgestellt werden muss.
· Allerdings lässt hohe Aggressionsbereitschaft nur dann Rückschlüsse auf die Kraftfahreignung zu, wenn zu besorgen ist, dass der Betreffende in konflikthaften Verkehrssituationen emotional impulsiv handelt und dadurch das Risiko einer gefährdenden Verkehrssituation erhöht.
Aktuelles zum Verkehrsrecht von Bernd Brutscher (Mai 2024)
· Haftungsquote bei unerwarteter Vollbremsung ohne zwingenden Grund
· Kollision zwischen Pkw und Radfahrer auf einem Zebrastreifen
· Keine Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse auf autobahnähnlich ausgebauter innerörtlicher Straße
· Keine Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse auf autobahnähnlich ausgebauter innerörtlicher Straße
· Pflichten beim Vorbeifahren an stehendem Fahrzeug mit geöffneter Fahrzeugtür
· Inhalt des Vorschriftszeichens 220 (Einbahnstraße)
Haftungsquote bei unerwarteter Vollbremsung ohne zwingenden Grund
Gericht: LG Hamburg, Urteil vom 23.09.2022, 331 O 134/21, veröffentlicht in jurisPR-VerkR 25/2023 Anm. 5
Das Wichtigste in Kürze:
· Der Anschein eines Auswahlverschuldens gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO, wonach der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß zu sein hat, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird, kann dann erschüttert sein, wenn ein vorausfahrender Verkehrsteilnehmer ohne zwingenden Grund stark abbremst.
· Auch wenn die starke, nicht verkehrsbedingt veranlasste Vollbremsung nicht verschuldet gewesen sein sollte, weil etwa ein Fahrzeugdefekt vorgelegen hat, ist der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO eröffnet.
· Da ein Fahrzeug, bei welchem auf einer Bundesautobahn die Bremsen versagen, eine extrem hohe Betriebsgefahr hat und eine plötzliche Vollbremsung dort unwahrscheinlich ist, wohingegen beim Auffahrenden lediglich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs in Ansatz zu bringen ist, haftet der grundlos und stark Abbremsende überwiegend (70:30).
Normkette: § 4 Abs. 1 StVO; § 18 StVG, § 823 BGB, § 115 VVG, §§ 7, 17 StVG
Kollision zwischen Pkw und Radfahrer auf einem Zebrastreifen
Gericht: AG Würzburg, Urteil vom 24.5.2022, 30 C 1164/22, veröffentlicht in SVR 24, 152
Das Wichtigste in Kürze:
· Ein Radfahrer kann sich nicht auf ein Vorrecht nach § 26 Abs. 1 StVO berufen, wenn er über einen Fußgängerüberweg fährt.
· Das Vorrecht gilt auch nicht, wenn er zuvor anhält und/oder seine Überquerungsabsicht erkennbar ist.
· Allerdings kann es gem. § 7 Abs. 1 StVG zu einer Haftungsteilung kommen.
· Voraussetzung dafür ist natürlich die Betriebsgefahr des Pkw und ein zusätzlicher Verkehrsverstoß.
· Ein solcher Verkehrsverstoß kann § 1 Abs. 2 StVO sein, wenn der Pkw-Fahrer den Radfahrer und seine Handlungsabsicht frühzeitig erkannt hat.
Normkette: §§ 254 Absatz 1, 823 Absatz 1; §§ 7, 9 StVG; §§ 1 Absatz 2, 26 Abs. 1 StVO
Keine Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse auf autobahnähnlich ausgebauter innerörtlicher Straße
Gericht: BayObLG München, Beschluss vom 26.09.2023, 201 ObOWi 971/23, veröffentlicht in jurisPR-VerkR 25/2023 Anm. 3
Das Wichtigste in Kürze:
· Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gilt dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO nach nicht für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße. Ein autobahnähnlicher Ausbau ändert daran nichts.
· § 11 Abs. 2 StVO benennt lediglich Autobahnen sowie Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung.
· Die Eigenschaft einer Straße als Autobahn wird nicht durch begriffliche Merkmale oder ihren Ausbau, sondern durch die rechtsgestaltende Wirkung des Verkehrszeichens Z 330.1 der Anlage 3 zur StVO begründet.
Normkette: § 11 Abs. 2 StVO
Pflichten beim Vorbeifahren an stehendem Fahrzeug mit geöffneter Fahrzeugtür
Gericht: LG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2023, 13 S 8/23, veröffentlicht in VerkMitt 2024 Nr. 4
Das Wichtigste in Kürze:
· Wer an einem stehenden Fahrzeug vorbeifährt, muss nach dem allgemeinen Gebot der Gefährdungsvermeidung aus § 1 Abs. 2 StVO einen angemessenen Seitenabstand einhalten. Grundsätzlich reicht zwar ein Seitenabstand von ca. 50 cm eines vorbeifahrenden Pkw zu einem geparkten Pkw aus. Ein Seitenabstand von unter 1 m genügt jedoch dann nicht, wenn auf dem Seitenstreifen neben der Fahrbahn ein Pkw mit geöffneter Fahrzeugtür steht und jederzeit mit einem weiteren Öffnen der Tür gerechnet werden muss oder in der geöffneten Fahrzeugtür eine Person steht.
· Im Rahmen der Abwägung zwischen einem Verstoß gegen § 14 StVO und einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO tritt erster komplett zurück, wenn der Fahrer des parkenden Fahrzeugs auf einer gut einsehbaren Straße schon mindestens 10 Sekunden in der geöffneten Tür mit dem Verladen von Gegenständen befasst ist.
Normkette: §§ 1 Abs. 2, 14 StVO
Inhalt des Vorschriftszeichens 220 (Einbahnstraße)
Gericht: BGH, Urteil vom 10.10.2023, VI ZR 287/22, veröffentlicht in NZV 2024, 92
Das Wichtigste in Kürze:
Das Vorschriftszeichen 220 in Verbindung mit § 41 Absatz 1 StVO gebietet, dass die Einbahnstraße nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden darf. Verboten ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Lediglich (unmittelbares) Rückwärtseinparken („Rangieren") ist – ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße – kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung.
Normkette: § 41 StVO, VZ 220
Aktuelles zum Verkehrsrecht von Bernd Brutscher (April 2024)
Die Themen:
- Alleinhaftung des nachrangig Überholenden
- „Rechts-vor-links-Regelung“ oder Ein- und Ausfahren aus anderem Straßenteil
- Volle Haftung des trotz Sichtbehinderung links Abbiegenden
- Autofahrt nach ärztlich verordneter Cannabiseinnahme im Krankheitsfall
- Strafurteil wegen Trunkenheit im Verkehr: Anforderungen an den Nachweis einer alkoholbedingten relativen Fahruntüchtigkeit
Alleinhaftung des nachrangig Überholenden
Gericht: OLG Brandenburg, Urteil vom 9.3.2023, 12 U 120/22, veröffentlicht in NZV 23, 565
Das Wichtigste in Kürze:
- Wer zum Überholen ausscheren will, hat sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.
- Das Ausscheren zum Überholen ist dabei rechtzeitig und deutlich durch Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen.
- Wollen indessen mehrere hintereinander fahrende Fahrzeuge überholen, so hat dasjenige Fahrzeug Vorrecht, das zuerst korrekt dazu angesetzt hat.
- Unklar ist eine Verkehrslage nämlich nur dann, wenn nach allen Umständen mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden darf, etwa weil sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was der Vorausfahrende sogleich tun werde. Eine solche Lage liegt indessen nicht schon dann vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug langsam fährt. Vielmehr müssen darüber hinaus weitere konkrete Umstände hinzutreten, die für ein möglicherweise unmittelbar bevorstehendes Ausscheren nach links sprechen könnten. Solche Umstände können das rechtzeitige Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers sein.
- Steht danach ein Verkehrsverstoß des Überholenden nicht fest und ist somit im Rahmen der Haftungsabwägung lediglich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zu berücksichtigen, tritt sein Haftungsanteil gegenüber einem Ausscherer vollständig zurück.
Normkette: § 5 Absatz 3 Nummer 1, Abs. 4 S. 1, Abs. 4a StVO
„Rechts-vor-links-Regelung“ oder Ein- und Ausfahren aus anderem Straßenteil
Gericht: OLG Brandenburg, Beschluss vom 6.2.2023, 12 U 177/22, veröffentlicht in NZV 24, 141
Das Wichtigste in Kürze:
- Andere Straßenteile sind die Flächen, die einerseits nicht der Fahrbahn zugeordnet werden können, andererseits noch als Bestandteil der Straße gelten müssen. Auf ihnen findet zwar rechtlich und tatsächlich öffentlicher Verkehr statt. Sie sind aber nicht für den Durchgangsverkehr bestimmt.
- Ob die Zufahrt zu mehreren Wohngrundstücken (Stichstraße) als Straße oder nur als anderer Straßenteil zu qualifizieren ist, hängt nicht von dessen baulichem Zustand, sondern von der Verkehrsbedeutung, so wie sie sich aus dem Gesamtbild der äußerlich erkennbaren Merkmale ergibt, ab.
- Dabei muss diese Verkehrsbedeutung zwar nach außen in Erscheinung treten, wenn daran verkehrsrechtliche Gebote oder Verbote geknüpft werden sollen; dies darf aber nicht dahin verstanden werden, dass damit verbundene Vorfahrtrechte und Wartepflichten nur entstehen, wenn jeder Adressat die dafür maßgebenden Merkmale des Verkehrsweges auch erkennen kann. Schwierigkeiten des Verkehrsteilnehmers bei der Erkennbarkeit der Regelung sind vielmehr im Rahmen der subjektiven Haftungsvoraussetzungen zu berücksichtigen. Allerdings trifft den Verkehrsteilnehmer eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, wenn ihm mangels eindeutiger Kriterien Zweifel kommen müssen, ob ein Verkehrsweg zu der von ihm befahrenen Straße eine vorfahrtberechtigte Straßeneinmündung oder eine untergeordnete Grundstücksausfahrt ist.
Normkette: § 8 StVO
Volle Haftung des trotz Sichtbehinderung links Abbiegenden
Gericht: LG Saarbrücken Urteil vom 10.11.2023, 13 S 33/23, veröffentlicht in NJW-RR 2024, 90
Das Wichtigste in Kürze:
- Kommt es in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Abbiegen zu einem Zusammenstoß zwischen dem Abbiegenden und dem entgegenkommenden Verkehr, spricht grundsätzlich bereits der Beweis des ersten Anscheins für einen schuldhaften Verstoß des Abbiegers gegen § 9 Absatz 3 StVO.
- Der gegen den Linksabbieger sprechende Anscheinsbeweis kann erschüttert sein, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Vorfahrtsberechtigte bei Beginn des Abbiegemanövers für den Wartepflichtigen noch nicht sichtbar gewesen ist oder zumindest so weit entfernt gewesen wäre, dass der Abbiegende eine Gefährdung als ausgeschlossen erachten durfte. Dies kann grundsätzlich der Fall sein, wenn der Vorfahrtsberechtigte sich mit überhöhter Geschwindigkeit nähert oder wenn er einen Vorausfahrenden, der wiederum links abbiegt, ohne angemessenen Seitenabstand, unter Verlassen der Fahrbahn oder bei unklarer Verkehrslage rechts überholt.
- Nicht zu einer Erschütterung des Anscheinsbeweises führt der Fall, dass der Linksabbieger lediglich wegen vorhandener Sichthindernisse den Gegenverkehr nicht überblicken kann. Ausgehend davon, dass jeder Linksabbieger sich vor Einleitung des Abbiegevorgangs vergewissern muss, dass er den Abbiegevorgang so rechtzeitig und vollständig abschließen kann, dass er keine Gefahr für den (gesamten) Gegenverkehr darstellt, trifft den Abbieger, dem die Sicht auf den entgegenkommenden Verkehr ganz oder teilweise genommen ist, vielmehr eine gesteigerte Sorgfalts- und gegebenenfalls Wartepflicht.
Normkette: § 9 Absatz 3 StVO; §§ 2, 7, 17 StVG
Autofahrt nach ärztlich verordneter Cannabiseinnahme im Krankheitsfall
Gericht: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22.08.2023, 1 ORbs 2 SsBs 22/23, veröffentlicht in ZfSch 2024, 114
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Vorschrift des § 24 a Abs. 2 S. 1 StVG gilt nicht, wenn das berauschende Mittel aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, wobei die Einnahme des Arzneimittels auf einer ärztlichen Verordnung beruhen muss und das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet worden sein darf. Dies schließt auch die fahrlässige Tatbestandsverwirklichung aus
Normkette: § 24 a StVG
Strafurteil wegen Trunkenheit im Verkehr: Anforderungen an den Nachweis einer alkoholbedingten relativen Fahruntüchtigkeit
Gericht: BayObLG, Urteil vom 13.2.2023, 203 StRR 455/22, in jurisPR-VerkR 1/2024 Anm. 4
Das Wichtigste in Kürze:
- Auch wenn es dem Tatrichter mangels (verwertbarer) Blutprobe, verlässlicher Erkenntnis über das Trinkgeschehen oder „beweissicherer“ Atemtests nicht möglich ist, eine annähernd bestimmte Alkoholkonzentration festzustellen, scheidet die Annahme von alkoholbedingter Fahrunsicherheit nicht aus; eine alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit kann auch ohne die Feststellung oder die Berechnung einer Blutalkoholkonzentration nachgewiesen werden.
- Erforderlich ist dazu die Feststellung einer - wenn auch nur geringen - Ausfallerscheinung, die durch die Aufnahme alkoholischer Getränke zumindest mitverursacht sein muss,
- Des Nachweises einer bestimmten Mindest-Atemalkoholkonzentration oder einer Mindest-Blutalkoholkonzentration bedarf es hingegen nicht; die Verurteilung des Angeklagten nach § 316 StGB setzt nicht den sicheren Nachweis einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,3‰ voraus.
Normkette: § 316 StGB
Aktuelles zum Verkehrsrecht von Bernd Brutscher (Feb. 2024)
Die Themen: Haftungsverteilung bei berührungslosem Unfall - Rettungsgassenbildung auf innerörtlicher Straße, die autobahnähnlich ausgebaut ist - Rückwärtsfahren in der Einbahnstr., , entgegen Verkehrszeichen 220 StVO - Nachweis einer relativen Fahruntüchtigkeit ohne Blutprobe
Haftungsverteilung bei berührungslosem Unfall
· § 7 Abs 1 StVG, § 18 Abs 1 S 2 StVG, § 8 Abs 2 S 3 StVO
· Die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle reicht für eine Haftung nicht aus. Insbesondere bei einem sogenannten "Unfall ohne Berührung" ist daher Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat, mithin, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.
· OLG Hamm, Urteil vom 9.5.2023, 7 U 17/23, veröffentlicht in DAR 23, 622
Rettungsgassenbildung auf innerörtlicher Straße, die autobahnähnlich ausgebaut ist
· § 11 Abs 2 StVO, § 38 Abs 1 S 2 StVO, § 49 Abs 1 Nr. 11 StVO, § 49 Abs 3 Nr. 3 StVO
· Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gilt dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO nach nicht für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße. Der autobahnähnliche Ausbau ändert daran nichts.
· § 11 Abs. 2 StVO benennt lediglich Autobahnen sowie Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung. Die Eigenschaft einer Straße als Autobahn wird nicht durch begriffliche Merkmale, ihren Ausbau oder einen innerörtlichen Verlauf, sondern durch die rechtsgestaltende Wirkung des Verkehrszeichens Z 330.1 der Anlage 3 zur StVO begründet.
· Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung des § 11 Abs. 2 StVO. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 StVO dient dazu, bei Unfällen auf der Autobahn oder Außerortsstraßen den Sicherungs- und Rettungskräften einen schnellen und möglichst sicheren Zugang zu ermöglichen, um einerseits schneller bei Verletzungen tätig werden zu können und andererseits auch sicherzustellen, dass der Unfall und seine Auswirkungen auf den Verkehr schnell beseitigt werden können. Der Seitenstreifen außerorts muss für Pannenfahrzeuge freigehalten werden und ist teilweise zu schmal für Einsatzfahrzeuge. Innerorts und auf einspurigen Straßen wird für die Rettungs- und Polizeifahrzeuge die Fahrt regelmäßig dadurch geschaffen, dass die Fahrzeuge an den rechten Rand fahren. Somit gebietet es auch der Zweck des § 11 Abs. 2 StVO nicht, die Bildung einer Rettungsgasse innerorts verpflichtend anzunehmen.
· BayObLG München, Beschluss vom 26.09.2023, 201 ObOWi 971/23, veröffentlicht in jurisPR-VerkR 25/2023 Anm. 3
Rückwärtsfahren in der Einbahnstraße, entgegen Verkehrszeichen 220 StVO
· § 9 Abs 5 StVO, § 10 S 1 StVO, § 41 Abs 1 Anl 2 Zeichen 220 StVO
· Das Vorschriftszeichen 220 gebietet, dass die Einbahnstraße nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden darf. In der Gegenrichtung steht sie dem Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn grundsätzlich nicht zur Verfügung. Auf die Stellung des Fahrzeugs im Verhältnis zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung kommt es nicht an.
· Verboten ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Lediglich (unmittelbares) Rückwärtseinparken ("Rangieren") ist - ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße - kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung.
· Demgegenüber ist Rückwärtsfahren auch dann unzulässig, wenn es dazu dient, erst zu einer (freien oder freiwerdenden) Parklücke zu gelangen. Entsprechendes gilt, wenn das Rückwärtsfahren dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einfahren zu können.
· BGH, Urteil vom 10.10.2023, VI ZR 287/22, veröffentlicht in NZV 2024, 92
Nachweis einer relativen Fahruntüchtigkeit ohne Blutprobe
· § 316 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
· Ob infolge Alkoholgenusses die Grenze zwischen Fahrtüchtigkeit und Fahruntüchtigkeit überschritten worden ist, stellt das Gericht in freier Beweiswürdigung fest. Ist es dem Tatrichter mangels (verwertbarer) Blutprobe, verlässlicher Erkenntnisse über das Trinkgeschehen oder „beweissicherer“ Atemtests nicht möglich, eine annähernd bestimmte Alkoholkonzentration festzustellen, scheidet die Annahme von alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit gleichwohl nicht aus.
· Vielmehr besteht in der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Literatur weitgehend Übereinstimmung darüber, dass korrelierend zu einer rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit eine alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit auch ohne die Feststellung oder die Berechnung einer Blutalkoholkonzentration nachgewiesen werden kann.
· Allerdings bedarf es aussagekräftiger Beweisanzeichen von hinreichender Überzeugungskraft, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers alkoholbedingt soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Unerlässlich für die richterliche Überzeugungsbildung ist die Feststellung einer - wenn auch nur geringen - Ausfallerscheinung, die durch die Aufnahme alkoholischer Getränke zumindest mitverursacht sein muss.
· Eine maßgebliche Rolle kommt der festgestellten Fahrweise zu. Beachtlich ist ein Fahrfehler dann, wenn das Gericht die Überzeugung gewinnt, der Fahrfehler wäre dem Angeklagten ohne alkoholische Beeinträchtigung nicht unterlaufen. Die theoretisch stets denkbare Möglichkeit, dass einem anderen Kraftfahrer ein Fahrversagen auch dann unterlaufen wäre, wenn er keinen oder nur unerhebliche Mengen Alkohol genossen hätte, schließt die Alkoholbedingtheit des Fehlers indes nicht aus. Ein Beispiel für eine Fehlleistung mit hoher Aussagekraft in Richtung auf eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit ist etwa das Geradeausfahren in einer Kurve.
· BayObLG, Urteil vom 13.2.2023, 203 StRR 455/22, in jurisPR-VerkR 1/2024 Anm. 4
Haftungsverteilung bei berührungslosem Unfall
· § 7 Abs 1 StVG, § 18 Abs 1 S 2 StVG, § 8 Abs 2 S 3 StVO
· Die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle reicht für eine Haftung nicht aus. Insbesondere bei einem sogenannten "Unfall ohne Berührung" ist daher Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat, mithin, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.
· OLG Hamm, Urteil vom 9.5.2023, 7 U 17/23, veröffentlicht in DAR 23, 622
Rettungsgassenbildung auf innerörtlicher Straße, die autobahnähnlich ausgebaut ist
· § 11 Abs 2 StVO, § 38 Abs 1 S 2 StVO, § 49 Abs 1 Nr. 11 StVO, § 49 Abs 3 Nr. 3 StVO
· Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gilt dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO nach nicht für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße. Der autobahnähnliche Ausbau ändert daran nichts.
· § 11 Abs. 2 StVO benennt lediglich Autobahnen sowie Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung. Die Eigenschaft einer Straße als Autobahn wird nicht durch begriffliche Merkmale, ihren Ausbau oder einen innerörtlichen Verlauf, sondern durch die rechtsgestaltende Wirkung des Verkehrszeichens Z 330.1 der Anlage 3 zur StVO begründet.
· Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung des § 11 Abs. 2 StVO. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 StVO dient dazu, bei Unfällen auf der Autobahn oder Außerortsstraßen den Sicherungs- und Rettungskräften einen schnellen und möglichst sicheren Zugang zu ermöglichen, um einerseits schneller bei Verletzungen tätig werden zu können und andererseits auch sicherzustellen, dass der Unfall und seine Auswirkungen auf den Verkehr schnell beseitigt werden können. Der Seitenstreifen außerorts muss für Pannenfahrzeuge freigehalten werden und ist teilweise zu schmal für Einsatzfahrzeuge. Innerorts und auf einspurigen Straßen wird für die Rettungs- und Polizeifahrzeuge die Fahrt regelmäßig dadurch geschaffen, dass die Fahrzeuge an den rechten Rand fahren. Somit gebietet es auch der Zweck des § 11 Abs. 2 StVO nicht, die Bildung einer Rettungsgasse innerorts verpflichtend anzunehmen.
· BayObLG München, Beschluss vom 26.09.2023, 201 ObOWi 971/23, veröffentlicht in jurisPR-VerkR 25/2023 Anm. 3
Rückwärtsfahren in der Einbahnstraße, entgegen Verkehrszeichen 220 StVO
· § 9 Abs 5 StVO, § 10 S 1 StVO, § 41 Abs 1 Anl 2 Zeichen 220 StVO
· Das Vorschriftszeichen 220 gebietet, dass die Einbahnstraße nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden darf. In der Gegenrichtung steht sie dem Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn grundsätzlich nicht zur Verfügung. Auf die Stellung des Fahrzeugs im Verhältnis zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung kommt es nicht an.
· Verboten ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Lediglich (unmittelbares) Rückwärtseinparken ("Rangieren") ist - ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße - kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung.
· Demgegenüber ist Rückwärtsfahren auch dann unzulässig, wenn es dazu dient, erst zu einer (freien oder freiwerdenden) Parklücke zu gelangen. Entsprechendes gilt, wenn das Rückwärtsfahren dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einfahren zu können.
· BGH, Urteil vom 10.10.2023, VI ZR 287/22, veröffentlicht in NZV 2024, 92
Nachweis einer relativen Fahruntüchtigkeit ohne Blutprobe
· § 316 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
· Ob infolge Alkoholgenusses die Grenze zwischen Fahrtüchtigkeit und Fahruntüchtigkeit überschritten worden ist, stellt das Gericht in freier Beweiswürdigung fest. Ist es dem Tatrichter mangels (verwertbarer) Blutprobe, verlässlicher Erkenntnisse über das Trinkgeschehen oder „beweissicherer“ Atemtests nicht möglich, eine annähernd bestimmte Alkoholkonzentration festzustellen, scheidet die Annahme von alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit gleichwohl nicht aus.
· Vielmehr besteht in der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Literatur weitgehend Übereinstimmung darüber, dass korrelierend zu einer rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit eine alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit auch ohne die Feststellung oder die Berechnung einer Blutalkoholkonzentration nachgewiesen werden kann.
· Allerdings bedarf es aussagekräftiger Beweisanzeichen von hinreichender Überzeugungskraft, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers alkoholbedingt soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Unerlässlich für die richterliche Überzeugungsbildung ist die Feststellung einer - wenn auch nur geringen - Ausfallerscheinung, die durch die Aufnahme alkoholischer Getränke zumindest mitverursacht sein muss.
· Eine maßgebliche Rolle kommt der festgestellten Fahrweise zu. Beachtlich ist ein Fahrfehler dann, wenn das Gericht die Überzeugung gewinnt, der Fahrfehler wäre dem Angeklagten ohne alkoholische Beeinträchtigung nicht unterlaufen. Die theoretisch stets denkbare Möglichkeit, dass einem anderen Kraftfahrer ein Fahrversagen auch dann unterlaufen wäre, wenn er keinen oder nur unerhebliche Mengen Alkohol genossen hätte, schließt die Alkoholbedingtheit des Fehlers indes nicht aus. Ein Beispiel für eine Fehlleistung mit hoher Aussagekraft in Richtung auf eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit ist etwa das Geradeausfahren in einer Kurve.
· BayObLG, Urteil vom 13.2.2023, 203 StRR 455/22, in jurisPR-VerkR 1/2024 Anm. 4
Aktuelles zum Verkehrsrecht von Bernd Brutscher (Mrz. 2023)
Die Themen: Maßgeblicher Zeitpunkt einer unklaren Verkehrslage bei dem Überholen einer Fahrzeugkolonne - Gefährdung „anderer Verkehrsteilnehmer“ bei Fahrstreifenwechsel - Vorfahrtsrecht im Kreisverkehr - „Rechts vor Links“ auf öffentlichen Parkplätzen nur bei ausdrücklicher Vorfahrtsregelung oder eindeutigem Straßencharakter - Ahndbarkeit der Nutzung einer vom Fahrer nicht selbst aktivierten „Blitzer-App“ - Entziehung der Fahrerlaubnis bei Vielzahl von Parkverstößen (hier mindestens 150 Parkverstöße) - Bevorstehendes Inkraftreten einer Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung
Maßgeblicher Zeitpunkt einer unklaren Verkehrslage bei dem Überholen einer Fahrzeugkolonne
- § 5 Abs. 3 Nr. 1, 9 Abs. 1 StVO; § 17 StVG
Wer ordnungsgemäß zum Überholen angesetzt hat, darf darauf vertrauen, dass sich kein vorausfahrender Fahrzeugführer verkehrswidrig verhält und vorschriftswidrig ausschert oder nach links abbiegt. Ihm steht der Vorrang gegenüber den Vorausfahrenden zu. Denn von mehreren hintereinander fahrenden Fahrzeugen hat dasjenige Vortritt beim Überholen, das zuerst korrekt hierzu ansetzt. Nichts anderes gilt im Fall einer Fahrzeugkolonne, wonach insbesondere der Versuch, in einem Zug zwei voranfahrende Personenkraftwagen zu überholen, nicht stets eine besonders gefahrenträchtige Fahrweise darstellt, die bei einer nach § 17 StVG zu treffenden Abwägung ins Gewicht fällt.
OLG Celle, Urteil vom 8.6.2022, 14 U 118/21, veröffentlicht in NZV 2023, 46
Gefährdung „anderer Verkehrsteilnehmer“ bei Fahrstreifenwechsel
- 7 Abs. 5 S. 1, § 10 S. 1 StVO; § 7 Abs. 1, § 17 StVG
Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. "Anderer Verkehrsteilnehmer" ist an sich grundsätzlich jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, das heißt körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt. Im Rahmen des § 7 Abs. 5 Satz 1 StVO ist "anderer Verkehrsteilnehmer" aber nur ein Teilnehmer des fließenden Verkehrs, also nicht der vom Fahrbahnrand An- und in den fließenden Verkehr Einfahrende.
BGH, Urt. v. 8.3.2022, VI ZR 1308/20, veröffentlicht in ZfS 2023, 71
Vorfahrtsrecht im Kreisverkehr
- 8 Absatz 1 a StVO; § 529 ZPO
Ist ein Kreisverkehr an der Einmündung in den Kreis mit den beiden Verkehrszeichen 205 (Vorfahrt gewähren) und 215 (Kreisverkehr) versehen, ist derjenige als vorfahrtsberechtigt anzusehen, der als Erster die Zeichen passiert hat und in den Kreisverkehr eingefahren ist.
OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 22.9.2022, 12 U 917/22, veröffentlicht in NZV 23, 132
„Rechts vor Links“ auf öffentlichen Parkplätzen nur bei ausdrücklicher Vorfahrtsregelung oder eindeutigem Straßencharakter
- § 1, 8 Abs. 1 Satz 1 StVO
Die Regeln der StVO sind auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar, so dass etwa von den Nutzern des Parkplatzes das sich aus § 1 StVO ergebende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme zu beachten ist. Unterschiedlich wird in obergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur jedoch beurteilt, welche Bedeutung der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf öffentlichen Parkplätzen zukommt. Dazu hat der BGH nun Stellung bezogen.
Der BGH ist der Auffassung, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung findet, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.
Ein Parkplatz ist keine Straße, sondern eine Verkehrsfläche, die - vorbehaltlich spezifischer Regelungen durch den Eigentümer oder Betreiber - grundsätzlich in jeder Richtung befahren werden darf. Parkflächenmarkierungen, die den Platz in Parkplätze und Fahrspuren aufteilen, ändern für sich genommen daran nichts, so dass durch solche Markierungen entstehenden Fahrbahnen kein Straßencharakter zukommt. Die auf Parkplätzen vorhandenen Fahrspuren dienen zudem typischerweise nicht - wie es der Zweckrichtung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO entspräche - der möglichst zügigen Abwicklung des fließenden Verkehrs, sondern der Erschließung der Parkmöglichkeiten durch Eröffnung von Rangierräumen und der Ermöglichung von Be- und Entladevorgängen, wobei die Fahrbahnen regelmäßig sowohl von Kraftfahrern als auch Fußgängern genutzt werden. Eine Bejahung des Straßencharakters und damit eine - dann unmittelbare - Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO kommt daher auf Parkplätzen nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn sich durch die bauliche Gestaltung der Fahrspuren und die sonstigen örtlichen Gegebenheiten für den Verkehrsteilnehmer unmissverständlich ergibt, dass die Fahrbahnen nicht der Aufteilung und unmittelbaren Erschließung der Parkflächen, sondern in erster Linie der Zu- und Abfahrt und damit dem fließenden Verkehr dienen.
BGH, Urteil vom 22.11.2022, VI ZR 344/21, veröffentlicht in DAR 23, 137
Ahndbarkeit der Nutzung einer vom Fahrer nicht selbst aktivierten „Blitzer-App“
- 23 Abs. 1c Satz 3 StVO
Für das OLG Karlsruhe steht außer Zweifel, dass die Tathandlung des „Verwendens“ in § 23 Abs. 1 c Satz 3 StVO kein eigenes aktives Tätigwerden des Fahrzeugführers im Umgang mit dem technischen Gerät bzw. der darin enthaltenen verbotenen Funktion voraussetzt, sondern vielmehr jedes Handeln genügt, mit dem dieser sich die verbotene Funktion zunutze macht. Erfasst wird deshalb auch die Nutzung der auf dem Mobiltelefon eines anderen Fahrzeuginsassen installierten und aktivierten Funktion.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.02.2023, 2 Orbs 35 Ss 9/23, veröffentlicht in juris
Entziehung der Fahrerlaubnis bei Vielzahl von Parkverstößen (hier mindestens 150 Parkverstöße)
- 3 Abs. 1 StVG; § 46 Abs. 1 FeV
Zwar haben die dem Bagatellbereich zuzurechnenden Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich bei der Prüfung der Fahreignung außer Betracht zu bleiben. Davon ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt. So ist ein Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und der solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet.
Dabei kommt ein solcher Ausnahmefall jedenfalls dann in Betracht, wenn über einen längeren Betrachtungszeitraum nahezu wöchentlich Verstöße dokumentiert werden. Besonderes Gewicht gewinnen diese Verstöße, wenn sie an einem bestimmten Ort gehäuft auftreten und der Fahrerlaubnisinhaber damit zu erkennen gibt, dass er seine persönlichen Interessen über das Allgemeinwohl stellt.
VG Berlin, Urt. v. 28.10.2022, VG 4 K 456/21, veröffentlicht in ZfSch 23, 56
Bevorstehendes Inkraftreten einer Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung
Am 29.03.2023 beschloss das Bundeskabinett die „Verordnung zum Erlass einer Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften“ (BR-Drs. 132/23). Bevor die von der Bundesregierung bereits beschlossene Verordnung in Kraft treten kann, muss nun noch der Bundesrat zustimmen.
Um was geht es bei der neuen Verordnung?
Seit Jahren ist ein Anstieg an Großraum- oder Schwertransporten, die aus Gründen der Gewährleistung eines sicheren und geordneten Straßenverkehrs eine Begleitung durch Polizeikräfte erforderlich machen, festzustellen. Das Aufgabenfeld bindet eine Vielzahl von Ressourcen bei den Polizeidienststellen der Länder, die aber anderweitig (zum Beispiel bei der Verkehrsüberwachung des fließenden Verkehrs an Unfallschwerpunkten oder bei der polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit) dringend benötigt werden. Daneben werden Fahrtwege von Großraum- oder Schwertransporten über die Grenzen der jeweiligen Zuständigkeit der Polizeidienststellen im einzelnen Bundesland, aber auch über die Grenzen der Bundesländer hinaus erlaubt bzw. genehmigt. Dies erfordert aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten nach Landesrecht eine Übergabe der Transportbegleitung an den jeweiligen Zuständigkeitsgrenzen. Die dadurch entstehende Übergangsphase führt zu unnötigen Störungen des Verkehrsflusses durch geparkte Großraum- oder Schwertransportfahrzeuge. Ferner werden Polizeibeamte oft zu akuten Einsätzen gerufen und sind damit gezwungen, den Transport vorläufig zu verlassen. Damit gehen zusätzliche, nicht absehbare Wartezeiten von Großraum- oder Schwertransportfahrzeugen im öffentlichen Verkehrsraum einher. Der Erlass einer Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung, mit der die Begleitung von Großraum- oder Schwertransporten durch beliehene Private mit Anordnungsbefugnis an Stelle der Polizei ermöglicht wird, soll dem Problem entgegenwirken. Durch den Einsatz von Transportbegleitungsunternehmen werden die Polizeidienststellen der Länder entlastet. Die dadurch entstehenden Kapazitäten können die Länderpolizei für prioritäre Aufgaben nutzen. Außerdem entsteht ein Zeit- und Organisationsgewinn für Transportunternehmen, da Transporte ohne Zuständigkeitswechsel und durchgehend begleitet werden können. Davon profitieren auch der Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit, da Störungen durch geparkte Großraum- oder Schwertransportfahrzeuge wegen des Wegfalls der Zuständigkeitswechsel der Länderpolizei bzw. wegen des Wegfalls des Abrufens der Transportbegleitung für andere Aufgaben entfallen.